Wasserstoff – eine Technologie vor dem Durchbruch?
Jenseits politischer Diskussionen und zahlreicher Initiativen für eine nachhaltige Ausrichtung der Energiewirtschaft und Energietechnik drängt der Einsatz des Wasserstoffes für die energetische Nutzung mehr und mehr in den öffentlichen Fokus. Das belegen verschiedene Forschungs- und Industrieprojekte von Hochschulen und aus der Industrie. Fest steht: Wir stehen an einem Wendepunkt, zumindest was die bisher vorhandene Infrastruktur der Energiewirtschaft betrifft. Ob das Ziel einer hauptsächlich auf Wasserstoff basierenden Energiewirtschaft sich flächendeckend umsetzen lässt, soll an dieser Stelle nicht beantwortet werden.
Wasserstofftechnologie ist ein erfolgversprechender, wenn auch „alter“ Ansatz, um neue Wege in der Energietechnik zu beschreiten. In der Luft- und Raumfahrt machte man sich die hohe Energiedichte des Wasserstoffes und die sehr hohe Zündtemperatur seit jeher zunutze, einerseits zur Oxidation in Verbrennungstriebwerken und zum anderen in Form „kalter Verbrennung“ in Brennstoffzellen zur Versorgung mit elektrischem Strom für die Bordsysteme sowie die Versorgung mit Frischwasser. Zahlreiche Projekte der Luft- und Raumfahrt haben die Leistungsfähigkeit und die grundsätzlichen Einsatzmöglichkeiten erprobt. Der Durchbruch der Wasserstofftechnologie in Industrie und Alltag blieb aber bisher aus, der Einsatz von Brennstoffzellen war häufig auf einzelne Applikationen wie Flurförderfahrzeuge oder Wasserstoffbusse beschränkt.
Von der Herstellung zur Anwendung
Allein die technische Möglichkeit, Wasserstoff in ausreichenden Mengen herzustellen, ist für sich betrachtet auf unterschiedlichen Verfahrenswegen möglich. Dies wirtschaftlich und in ausreichenden Mengen zu tun, stellt hingegen eine vor allem technische Herausforderung dar bei der Einhaltung ökonomischer Zielgrößen. Während die Rohölpreise bei ungefähr 0,4 € pro Liter liegen, sind die Herstellkosten für ein synthetisches Äquivalent zurzeit um den Faktor 9 bis 12 größer. Die synthetische Methanolproduktion am Beispiel der neuen Methanolanlage am Total-Standort in Leuna macht deutlich, dass sich die Industrie der politischen Forderung der CO2-Reduktion stellt. Vereinfacht ausgedrückt wird vorhandenes CO2 im Syntheseverfahren mit Wasserstoffmolekülen verknüpft, wodurch mit Methanol ein kurzkettiger Kohlenwasserstoff entsteht.
Um Wasserstoff oder Methanol für private und industrielle Verbraucher umfassend technisch nutzbar zu machen, bedarf es neben der reinen preiswerten Erzeugung oder Verfügbarkeit einer weiteren Komponente. Das ist das Zusammenwirken verschiedener Akteure in einer Versorgungskette von der Bereitstellung über die Versorgungsinfrastruktur bis hin zu geeigneten und sicheren Prozessschritten, Geräten und Komponenten für unzählige Anwendung. Die Entwicklung von Wasserstofffahrzeugen soll hier nur als eines von vielen Beispielen genannt sein. Der Einsatz von Wasserstoff in Fahrzeugen ist allerdings insofern bedeutend, da durch den Nutzen der Mobilität im Alltag viele Menschen mit dieser neuen Technologie in Berührung kommen.
Drei wesentliche Blickrichtungen auf eine Wasserstoffwirtschaft:
H2- Bereitstellung |
H2-Infrastruktur |
H2-Anwendung |
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Ziel | Gewinnung/ Speicherung/ Energieumwandlung für technische Anwendungen | Transformation bestehender Energie- und Versorgungskonzepte | Entwicklung von Geräten und Systemen für spezifische Einsatzfelder von Wasserstoff in Maschinen und Anlagen |
Leitfrage | Wie kann Wasserstoff umweltfreundlich, emissionsfrei, energieeffizient und in ausreichender Menge kostengünstig hergestellt werden? Wie kann Wasserstoff auf effiziente Weise technisch genutzt werden? | Welche Lösungen gibt es für den sicheren Transport und die Lagerung? Sind geeignete Gas- und Elektronetze vorhanden? | Stellt Wasserstoff im Gegensatz zu bisherigen Betriebsstoffen eine Gefahr dar? Was ist in diesem Fall zu beachten? |
Ansatz | Verfahren zur Erzeugung technischer Lösungen für den Umgang mit Wasserstoff | Ausbau von Gas- und Elektroleitungsnetzen, Tankstellen, Kühlanlagen und Lagersystemen | Weiterentwicklung von Brennstoffzellen, Reformern, Steuer- und Regeleinrichtungen und Betriebsmitteln |
Der Ausbau einer leistungsfähigen Transportkette und die Weiterentwicklung der Brennstoffzellentechnologie ist eine wesentliche Voraussetzung für das Gelingen einer Wasserstoffwirtschaft. Neben spezifischen Gefahren- und Risikoanalysen im Hinblick auf Brand- und Explosionsentstehungen wurden in den vergangenen Jahren bereits intensive Grundlagenuntersuchungen zur Ermittlung von Stoffkenngrößen durchgeführt. So wurden im Projekt „Sicherheitstechnische Eigenschaften von Erdgas-Wasserstoff-Gemischen“ der BAM (Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung) sicherheitstechnische Kenngrößen wie Sauerstoffgrenzkonzentrationen, maximale Explosionsdrücke, Explosionsgrenzen und Normspaltweiten von Erdgas-Wasserstoff-Gemischen usw. untersucht, um daraus Auswirkungen auf den Explosionsschutz ableiten zu können. Hintergrund war das Power-to-Gas-Konzept, das beinhaltet, dezentral erzeugten Wasserstoff in vorhandene Erdgasnetze einzuspeisen.
Explosionsschutz bei Wasserstoffanwendungen
Ganz gleich an welcher Stelle wir uns in der „Prozesskette“ von Wasserstoff“ umsehen, sicherheitstechnische Anforderungen müssen auch in Zukunft bei der Entwicklung, Neuplanung oder Bewertung von Altanlagen beachtet werden. Vor allem dann, wenn bisher verwendete Stoffe und Stoffgemische durch Wasserstoff substituiert werden oder der Wasserstoffanteil erhöht wird. Die stofftechnischen Eigenschaften, die sehr geringe Zündenergie oder das Diffusionsverhalten von Wasserstoff stellen je nach Applikation veränderte Anforderungen an die Materialauswahl, Mess- und Analysetechnik sowie den Einsatz von Arbeits- und Betriebsmitteln dar. Im Vergleich: Unter optimalen Bedingungen beträgt die Zündinduktionszeit für Wasserstoff etwa 20 Mikrosekunden bei 2 Watt, bei Propan und Ethylen mit 100 Mikrosekunden das 5-fache bei 6 Watt. Sicherheitstechnische Anforderungen zum Explosionsschutz im Umgang mit Wasserstoff und gasförmigen Gemischen sind heute in der Industrie durch die ATEX-Produktrichtlinie 2014/34/EU, die EU-Richtlinie 1999/92/EG sowie speziell in Deutschland durch die Technischen Regeln für Gefahrstoffe wie beispielsweise die TRGS 723 (vormals TRBS 2152 Teil 3) geregelt. Für spezifische Anwendungen, etwa in der Fahrzeugtechnik, müssen künftig eigene Sicherheitsstandards entwickelt und erreicht werden.
Fazit
Das Modell der Wasserstoffwirtschaft bietet einen interessanten Ansatz, die komplexen Probleme der heutigen Energiewirtschaft zumindest ansatzweise zu lösen. Mit den steigenden Energiepreisen, einem wachsenden Umweltbewusstsein und dem Ausbau der sogenannten alternativen Energien wird auch die Bedeutung des Wasserstoffes weiter zunehmen. Die Gestaltung einer leistungsfähigen Transportkette und die Weiterentwicklung der Brennstoffzellentechnologie ist ein wesentlicher Schritt hin zu einer Wasserstoffwirtschaft. Der Schlüssel zum neuen Wasserstoffzeitalter liegt in der Transformation und der wirtschaftlich sinnvollen Nutzung bestehender Infrastrukturen. Erst dann ist der Weg frei für eine ganze Bandbreite technischer Anwendungen, die auch unmittelbare Auswirkungen auf unser alltägliches Leben haben können.
Sind Sie auch so fasziniert von den Möglichkeiten der Wasserstofftechnologie? Sollten Sie Hinweise zum Beitrag oder eigene konkrete Fragen zu Ihren Projekten oder den sicherheitstechnischen Herausforderungen von H2 für den Explosionsschutz haben, kontaktieren Sie uns! Wir freuen uns auf Ihr Feedback.
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